Müller, Des Bettlers Gabe.

Müller, Des Bettlers Gabe.

Müller, Wilhelm; Des Bettlers Gabe. Taschenbuch für 1835 und 1836 sowie für 1837 und 1838. 1.-4. Jahrgang, in zwei Bänden gebunden, Kolberg (1835/36) bzw. Cöslin (1837/38), C. F. Post bzw. C. G. Hendeß 1835-38, (8)/272/(8)/333 u. (12)/320/243 S., einheitliche Halbledereinbände mit goldgeprägten Verzierungen u. Beschriftung auf dem Rücken, Lesebändchen, Einbände gering fleckig, tlw. gering lichtrandig, jeweils kleiner handschriftlicher Vermerk auf vorderem Vorsatz, Papier kaum gebräunt, insgesamt wirklich (fast sehr) guter Zustand! Außergewöhlich selten!

– Enthält:
1835:
Des Blickes Mord.
Schattenbilder. (Skizzen aus Livland und Rußland)
Der Hoffnungslose.
1836:
Der Verkannte.
Der letzte Schmerz.

1837:
Rasstriga. Historisches Räthselspiel. (Rasstriga ist ein entlaufener umherirrender Mönch!)
1838:
Die Schenke der Invaliden. Sitten- und Lebensbilder der russischen Völker.


- „Wilhelm Müller, Schauspieler und Schriftsteller, soll am 13./24. März 1780 in St. Petersburg als Sohn eines Bauraths v. Müller geboren sein; wo er erzogen ist, wo er seine Jugend verbracht hat, bleibt unbekannt. Aus seinen Schriften scheint hervorzugehen, daß M. seine Jugend in Rußland, meist in St. Petersburg verlebt hat. Mit schwärmerischer Liebe hängt er an Rußland; er soll immer russische Erde in einer kleinen silbernen Kapsel auf der Brust bei sich getragen haben. Nach einer anderen — aber nicht verbürgten — Nachricht ist Müller in St. Petersburg als Sohn eines kaiserlich russischen Stallmeisters geboren; der Name Müller ist nur ein angenommener; der eigentliche Familienname ist unbekannt. Infolge eines Duells soll Müller das elterliche Haus verlassen haben. In den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts (19.) taucht M. als Schauspieler in Riga auf; sein Aufenthalt in Riga ist durch Personen, die sich Müller’s erinnerten, sicher begründet. In Riga verheirathete er sich mit einer Wittwe, die ihm einen Sohn mitbrachte; er hatte die Frau am Sarge ihres Mannes kennen gelernt. Nachdem er eine Zeitlang als Schauspieler in Reval gewirkt hatte, wandte er sich nach Deutschland und erwarb sich die Concession in Cöslin und Stettin spielen zu dürfen. In Colberg verließ ihn seine Frau; sie fand es für geeignet, mit einem Officier durchzugehen; ihren Sohn ließ sie zurück. Müller heirathete zum zweiten Mal, eine seiner Schauspielerinnen, aber das Glück der Ehe war nur kurz; die Frau, sowie der dieser Ehe entstammte Sohn starben. Müller verkaufte seine Theatereinrichtung, seine Bibliothek und zog nach Berlin. Hier lernte ihn J. Brunold (eigentlich Meyer, Pfarrer in Joachimsthal) kennen; Brunold ist der einzige, dem wir einige Mittheilungen über Müller verdanken (Gartenlaube 1865, S. 589 Sancta Libertas; 1872, S. 397 ein litterarisches Geheimniß). In Berlin beschäftigte sich Müller nur mit schriftstellerischen Arbeiten — einsam stand er da. Er siedelte nach Charlottenburg über, wo er bei einem Fräulein Bonin wohnte und am 20. April 1862 gestorben ist; sein Vermögen, etwa 10 090 Thaler, soll er milden Stiftungen hinterlassen haben. Ein Porträt Müller’s ist dem Taschenbuch „Des Bettlers Gabe“ 1844 beigegben.

Als Schauspieler soll Müller unbedeutend, höchstens in Spitzbubenrollen erträglich gewesen sein; bei seinen Fachgenossen hat er den Spitznamen „Totenkopf-Müller“ geführt.

Nachdem Müller von der Schauspielkunst Abschied genommen hatte, widmete er sich mit großem Eifer der Schriftstellerei (1835—1850). Er war außerordentlich fleißig; er hat Romane, Novellen, Dramen, Volks- und Jugenderzählungen verfaßt. Viele seiner Romane und Erzählungen sind auffallend düster, aber alle sehr anziehend und spannend geschrieben; seine Jugenderzählungen (in G. Nieritz’ Volksbibliothek erschienen) erlebten mehrere Auflagen, Der Stoff zu den meisten seiner Novellen und Romane ist der russischen Geschichte und dem russischen Volksleben entnommen; auch die baltische Geschichte war ihm nicht fremd geblieben. Daß Müller der russischen Sprache mächtig war, unterliegt keinem Zweifel; seinen Werken sind vielfach russische Worte beigemischt. Er scheint aber auch russische Originale benutzt zu haben. Wissenschaftliche Werke hat M. nicht veröffentlicht; seine historischen Schriften sind einfach erzählend, ohne Quellenangabe verfaßt.

Müller soll auch Dramen geschrieben haben und zwar unter dem Namen Adami, doch habe ich darüber nichts sicheres ermitteln können. Ich habe mich vergeblich bemüht, alle Schriften Müller’s zu sammeln; es ist nicht möglich gewesen. Viele in den Katalogen angegebene Werke sind vollständig verschwunden. Es kann hier nicht alles genau angeführt werden. Von seinen historischen Werken nenne ich: „Russen und Mongolen“, 4 Bde., 1830—1840, „Groß-Nowgorod, die Freistätte der russischen Slaven“ 1843, „Jermak und seine Genossen“ 1843, „Rußland und seine Völker“, I. (einziger) Theil 1844. Wenn wir von einigen besonders herausgegebenen Novellen und Romanen (″Dämmerzustände“ 1837, „Die Verworfenen“ 1836) absehen, so findet sich die weitaus größere Menge der Arbeiten Müller’s in dem von ihm herausgegebenen Taschenbuch „Des Bettlers Gabe“, 14 Jahrgänge, 1835—1848. Es sei nur auf einige der hier abgedruckten Erzählungen hingewiesen. Im I. Jahrgang (1835) liefert Müller in den „Schattenbildern“ Skizzen aus Livland und Petersburg; er läßt einen Deutschen, Waller, seine Lebensgeschichte erzählen, wie Waller von Pommern nach Rußland gelangt sei. Im II. Jahrgang (1836) führt er abermals einen — unschuldig verurtheilten — Deutschen ein, der Schauspieler geworden war, seine Geliebte durch einen Officier verlor u. s. w., alles erinnert vielfach an Müller’s eigenen Lebensschicksale.

Müller hat außerdem noch für Zeitschriften vielfach Beiträge geliefert (z. B. für den Preußischen Volksfreund 1836—1847). Sicher ist es, daß er seit 1847 den früher von Puttkamer herausgegebenen „Preußischen Volksfreund“ übernahm und mehrere Jahre leitete. In diesen Bänden finden sich vielfach größere und kleinere Beiträge von M., die hier aufzuzählen unmöglich ist.″

Quelle für die Angaben zur Person und zum Werk Müllers: Ludwig Stieda, „Müller, Wilhelm“ in: Allgemeine Deutsche Biographie 52 (1906), S. 529-530

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